Diesen Beschluss hat der Kreistag in seiner Sitzung am 06.09.2019 mit großer Mehrheit gefasst: Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU und GRÜNE betreffend Klimaschutz-Aktionsprogramm

09.09.2019

Beschluss:

Der Landkreis Marburg-Biedenkopf ist bereits seit rund zwei Jahrzehnten beim Klimaschutz aktiv und fördert den Einsatz Erneuerbarer Energien. Mit dem Klimaschutzziel 100% Erneuerbare Energien, dem Klimaschutzkonzept und dem Masterplan Klimaschutz wurden bereits in der Vergangenheit wichtige Schritte unternommen, durch die der Landkreis auch überregional eine Vorreiterrolle eingenommen hat.
Da die Erreichung der Pariser Klimaziele akut gefährdet ist, setzt sich der Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf zum Ziel, Maßnahmen des Masterplans früher als bisher angesetzt, zu erreichen. Hierzu und in Anerkennung seiner Vorbildrolle beschließt der Kreistag in Konkretisierung des im Juni 2019 beschlossenen Antrags zum Klimaschutz folgende Maßnahmen:

I. Klimaschutz-Aktionsprogramm
Der Kreistag beschließt als Klimaschutz-Aktionsprogramm die nachstehenden 30 Punkte zur Erledigung bis 2025 und beauftragt den Kreisausschuss mit der konsequenten Umsetzung des Programms und dem Kreistag bis zur nächsten Kreistagssitzung Vorschläge zur künftigen Zusammensetzung und Aufgabenbeschreibung des Klimaschutzbeirates vorzulegen, die der Zielsetzung einer kontinuierlichen Validierung und Begleitung aller Klimaschutzmaßnahmen gerecht wird. Instrumente für diese kontinuierliche Validierung und Begleitung der Umsetzung des Aktionsplans sind ggf. auch unter Hinzuziehung von unabhängigen, externen Fachleuten zu entwickeln:
Mobilität:

1. Steigerung des E-Mobil-Anteils bei den Dienstwagen auf 40% bis 2025

2. Entwicklung einer nachhaltigen Dienstreiserichtlinie mit dem Ziel der Emissionsreduktion und Erfassung der Emissionen aller Dienstreisen.

3. Der Landkreis überprüft alle Angebote/Maßnahmen auf Mobilitätsvermeidungsmöglichkeiten und bietet durch die Digitalisierung alternative Angebote für Bürgerinnen und Bürger sowie Mitarbeitende an (z.B. Weiterentwicklung E-Government, Video-Konferenzen, Steigerung der Zahl von Homeoffice-Arbeitsplätzen).

4. konsequente Stärkung des ÖPNV, flächendeckende Weiterentwicklung des Angebotes im Schienenpersonen- und Güterverkehr sowie des Bus- und Rufbusangebotes

5. Einführung eines Lastenrad-Verleihsystems für den Landkreis Marburg-Biedenkopf

6. Steigerung des Anteils des Radverkehrs am gesamten Mobilitätsaufkommen im Landkreis; Ziel bis 2030 ist ein Anteil von mehr als 8%.

7. Einführung eines verbundweiten RMV-Tickets für alle Mitarbeitenden der Kreisverwaltung

8. Modellprojekt Einsatz von Bussen mit alternativen Antriebsmethoden wie Wasserstoffantrieb

9. Förderung der Bildung von Fahrgemeinschaften über Pendlerportale

Energie-Effizienz:
1. Der Landkreis führt sukzessive energetische Sanierungen aller seiner Verwaltungsliegenschaften durch (auf Grundlage des Sanierungskonzeptes für die Verwaltungsgebäude des Landkreises); Ziel ist es, dies bis 2030 vollendet zu haben.

2. Die Planung zukünftiger Neubauten in Zuständigkeit des Landkreises Marburg-Biedenkopf orientiert sich am Passivhausstandard; es werden bevorzugt nachhaltige Baumaterialien eingesetzt

3. Der Landkreis setzt bei allen Beleuchtungs-Neuanlagen, -Ersatzanlagen und Reparaturen auf LED-Technik oder vgl. Technik.

4. Der Landkreis setzt energieeffiziente IT-Technik und Drucker ein und betreibt seine zentralen Rechner energieeffizient und mit nachhaltigen Energien (ggf. auch mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung).

5. Der Landkreis ersetzt elektrische Geräte zukünftig nur noch durch energieeffiziente Geräte und tauscht sehr große Energieverbraucher zeitnah aus.

6. Der Landkreis setzt ab 2020 nur noch Wärmeerzeugungsanlagen mit alternativen Energiequellen bzw. mit Kraft-Wärme-Kopplung als Ersatzanlagen für erneuerungsbedürftige Heizungsanlagen bzw. für Neuanlagen in eigenen Gebäuden ein.

7. Der Landkreis unterstützt nutzerspezifische Ressourceneinsparungen (z.B. Energie, Wasser, Abfall) seiner Mitarbeitenden in den Verwaltungsliegenschaften und von Schüler*innen und Lehrenden in Schulen durch ein Einsparungsbeteiligungsprogramm.

8. 50-Dächer-Programm für Photovoltaik-Anlagen auf Kreisliegenschaften

9. Weitere Unterstützung des Ausbaus von Bioenergiedörfern

10. Umsetzung des Hecken-Projekts

11. Prüfung Energiespar-Contracting mit geeigneten
Vertragspartnern

Arbeit/Organisation der Kreisverwaltung:
1. Die Dienstanweisung zum Vergabewesen in der Kreisverwaltung Marburg-Biedenkopf integriert die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele als zentrale Anforderung bei allen Beschaffungen und Vorhaben.

2. Einrichtung einer Steuerungsgruppe Klimaschutz in der Kreisverwaltung, die für die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen der Kreisverwaltung sorgt

3. Schaffung eines Klimaschutz-Managements zur Umsetzung der genannten Ziele

4. Der Landkreis informiert/schult alle seine Mitarbeiter über Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen am Arbeitsplatz

5. Weiterentwicklung des Klimaschutz-Berichts zu einer vollwertigen CO2-Bilanz

6. Der Landkreis setzt nur noch nachhaltiges Papier ein, lässt ausschließlich klimaneutral drucken und reduziert individuelle Arbeitsplatzdrucker auf das absolut notwendige Maß.

7. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf versendet möglichst wenige Briefe und Pakete und diese klimaneutral.

8. Erhalt und verstärkte Anpflanzung von Laubbäumen auf den kreiseigenen Liegenschaften

9. Der Landkreis untersucht seine eigenen Förderangebote und verstärkt energieeffiziente und nachhaltige Aspekte.

10. Der Landkreis setzt sich bei den Unternehmen, an denen er beteiligt ist, verstärkt für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen ein.

II. Klimaschutz in Kooperation
Der Kreistag beauftragt den Kreisausschuss, nachfolgende Ansätze zu kooperativem Klimaschutz umzusetzen:

1. Der Landkreis startet gemeinsam mit dem heimischen Handwerk (Heizung, Sanitär, Klima, Schornsteinfeger etc.) eine Klimaschutzkampagne, bei der die privaten Besitzer von Heizungsanlagen über die Möglichkeiten zur Umrüstung und Erneuerung der Anlagen und entsprechende Förderprogramme hingewiesen werden. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Maßnahmen auf Bundesebene sinnvoll.

2. Der Landkreis setzt gemeinsam mit dem heimischen KFZ-Gewerbe und interessierten Unternehmen (z.B. Fahrradwerkstatt) die Veranstaltungsreihe „Tag der klimafreundlichen Mobilität‘ fort. Dabei sollen klimafreundliche und nachhaltige Mobilitätslösungen präsentiert und die Bürger über neue technische Entwicklungen informiert werden.

3. Gemeinsam mit den Waldbesitzern der Region, den zuständigen Forstämtern von Hessenforst und den Forstunternehmen soll geprüft werden, wie die aktuellen Trockenschäden im Wald zu Nachpflanzungen von resistenteren Baumarten genutzt werden können. Gemeinsame (kostengünstige) Bestellungen von Pflanzen können hier ebenso hilfreich sein wie eine umfangreiche und qualitativ hochwertige Beratung der Waldbesitzer.

4. Der Landkreis prüft gemeinsam mit regionalen
Kreditinstituten, ob und wie die Auflage einer lokalen Klimaschutzanleihe zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen beitragen kann. Hiermit kann sowohl eine Finanzierung von Maßnahmen ermöglicht, als auch eine freiwillige finanzielle Beteiligung und Identifikation der Bürger mit den Projekten erreicht werden.


Begründung:
In der letzten Kreistagssitzung bestand Einigkeit über die Notwendigkeit, den Klimaschutz stärker in das Zentrum unseres Handelns zu bringen und uns daran verstärkt zu orientieren.

Neben übergeordneten Zielvorgaben sehen die Antragssteller die Notwendigkeit, konkrete Maßnahmen zu starten, die dem Klimaschutz dienen und gleichzeitig in der konkreten Einfluss- und Entscheidungssphäre des Landkreises liegen.
Dabei sollen die Maßnahmen in ihrer Reihenfolge und ihrem jeweiligen konkreten Umfang nicht vorab festgelegt werden. Vielmehr soll im aktuellen Verwaltungshandeln jeweils die optimale Umsetzung, auch unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz, gewählt werden.
Die Bereitstellung eventuell benötigter Finanzmittel oder benötigten Personals erfolgt in den jeweiligen Haushaltsplänen.

Darüber hinaus sollen in Kooperation mit anderen Akteuren weitere Klimaschutzmaßnahmen angegangen werden, die nicht vom Landkreis alleine umgesetzt werden können.
Eine weitere Begründung erfolgt mündlich.

gez.:
Werner Hesse Werner Waßmuth Michael Meinel
SPD-Fraktion CDU-Fraktion Fraktion Bündnis`90/Die Grünen