Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion Werner Waßmuth im Kreistag bezüglich der Dresdner Rede von Björn Höcke, AfD.

14.02.2017

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren,

noch vor wenigen Wochen hätte man gesagt, eine solche Rede wie von Herrn Höcke ist undenkbar. Und selbst wenn sie denkbar wäre, würde so jemand hochkant aus einer demokratischen Partei rausfliegen. Nach der Rede des Thüringer Fraktionsvorsitzenden Höcke wissen wir es leider besser: Es werden wieder solche Reden gehalten – und die AfD distanziert sich zwar, ist aber nicht in der Lage, Höcke rauszuschmeißen.

Und das ist das eigentlich bedrückende an dieser Rede: Es ist nicht irgendein Aussetzer irgendeines Wirrkopfes, dem die Grenzen spätestens danach aufgezeigt worden sind, sondern es ist eine sehr bewusste Rede gewesen. Und es ist auch eine sehr bewusste Reaktion der Parteispitzen, sich zwar zu distanzieren, aber ihn doch zu dulden. Hier wird strategisch bewusst am ganz rechten Rand gefischt, weil die Parteistrategen der AfD begriffen haben, dass ihr Stern – ENDLICH – zu sinken beginnt: die Bundesregierung hat längst die Angstszenarien der AfD widerlegt, dass Deutschland „überrannt“ wird, sondern sie hat den Flüchtlingszustrom wirksam und verantwortungsvoll gestoppt. Und zugleich zeigen Kommunen, Länder und Bund, dass Integration eben doch besser klappt, als erwartet. Und angesichts dieser Entwicklung fürchtet die AfD, dass ihnen ihr Thema – und ihre

Wähler – wegbrechen. Und da haben sich die Strategen eine einfache, aber perfide Antwort ausgedacht: man muss einfach am noch rechteren Rand fischen; und wenn ein Parteifunktionär dann damit aneckt, dann rudert man halt „ein bisschen“ zurück.

 

Reden wie die von Höcke sind kein Ausrutscher, sie sind Methode und Strategie. Es ist ja auch nicht das erste Mal. Man denke nur an Beatrix von Storchs Äußerungen zum Schießbefehl oder an Gaulands Äußerung über Boateng. Jedes Mal dasselbe Muster. Eine dreiste und menschenverachtende Parole, der rechte Rand jubelt…und nach einiger Zeit distanziert sich die Parteispitze, sonst ändert sich nichts.

 

Wir werden der AfD diese Strategie nicht durchgehen lassen. Wir werden all denjenigen, die AfD wählen, weil sie über bestimmte Dinge frustriert sind oder die auf eine neue konservative Kraft setzen, klar machen - diese AfD ist nicht konservativ oder werteorientiert, sondern sie setzt auf den rechten Rand, um sich zu etablieren.

 

Und an der Stelle, lieber Karl-Herrmann Bolldorf, sage ich auch etwas persönliches zur AfD im Kreistag: Ja, wir erleben die AfD Fraktion in Marburg-Biedenkopf bisher anders als in den Landtagen. Und ich hoffe, dass wohl niemand von Ihnen auch nur im Ansatz so denkt wie Höcke und Konsorten. Und wenn ich jetzt wegen der Höcke Rede die AfD kritisiere, meine ich damit die AfD im Bund: Und doch muss ich Ihnen sagen: Es ist Ihre Partei, in der das möglich ist, es sind Ihre Parteifreude, die einer solchen Rede zujubeln, es ist Ihre Parteispitze,

die keine Konsequenzen zieht und wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihre Partei zu stoppen, dann kann ich Ihnen nur raten, ziehen Sie die Konsequenzen, stellen Sie unter Beweis, dass das nicht Ihr Weg ist, dass Sie eine solche Strategie des am rechten Rand fischens genauso verachten, wie alle anderen Fraktionen hier im Haus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich ist die Höcke Rede so skandalös, dass sie es gar nicht wert ist, sie noch weiter zu würdigen und zu verbreiten und deswegen will ich auch gar nicht davon zitieren und vieles ist ja schon gesagt worden: Etwa über die unverschämte und skandalöse Äußerung, Bundespräsident Richard von Weizsäcker hätte 1984 eine Rede gegen das deutsche Volk gehalten oder das Holocaust – Mahnmal in Berlin sei ein „Denkmal der Schande“: es ist unfassbar, dass so etwas irrsinniges gesagt wird und es bleibt an dieser Stelle noch einmal festzuhalten, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Deutschland kann dankbar sein, dass es diese Rede von Richard von Weizsäcker gegeben hat, die so vieles geklärt hat und auf schonungslose und doch zugleich würdevolle Weise Schuld und Verantwortung eingeschärft hat – und gegen jede Verharmlosung angekämpft hat. Selten hat eine Rede so viel Kraft gehabt – und das lag nicht daran, dass sie – wie Höcke behauptet – lediglich „rhetorisch und stilistisch geschliffen war“ – sondern daran, dass Weizsäcker mit großer Klugheit und Weitblick Wahrheiten angesprochen und bewusst gemacht hat, die viele Deutsche lange nicht gesehen haben.

Und gleiches gilt für das Mahnmal in Berlin: Es ist gut, dass mitten in Berlin ein Mahnmal daran erinnert und zwar vor allem an die Opfer. Dieses Mahnmal sorgt dafür, dass die Ermordeten nicht vergessen werden. Und es führt Schuld vor Augen – und die Verantwortung, vor Augen , dass nach Ausschwitz in Deutschland nichts mehr so sein darf wie vorher. Diese Stelen machen klar, dass in diesem Land nie wieder Menschenverachtung eine Chance haben darf. Und es bringt architektonisch zum Ausdruck, dass das nach der Wiedervereinigung entstandene und entstehende Berlin anders sein muss, als nur eine Wiederherstellung der Stadt, die wir aus der Geschichte kennen. Das Berlin - und auch das Deutschland - nach der Shoah, dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas, MUSS ein anderes sein – und es darf NIEMALS ein Zurück geben zu nationaler Verblendung, menschenverachtendem Rassismus oder auch nur zu preußisch-monarchischen Vorstellungen von Größenwahn. Dazu gemahnt dieses Mahnmal – und da ist es kein Wunder, dass sich Höcke daran stört. Seine Rede ist durch und durch ein Versuch, vermeintlich deutsche Größe zu beschwören. Er versucht, seine überwiegend jugendlichen Zuhörer – er hat die Rede bei der AfD Jugendorganisation gehalten – zu manipulieren, indem er eine fatale Vision von deutscher Größe und Stärke beschwört. Da faselt er von „neuen Preußen“, vom starken Deutschland – und an manchen Stellen und Begriffen erinnert der Stil, mit der er über diese neue Größe fabuliert, an Reden, die in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre gehalten worden sind. Bis vor kurzem hätte ich es für undenkbar gehalten, dass Sätze wie „ich weise dieser Partei einen langen und

entbehrungsreichen Weg“, oder vom „vollständigen Sieg“ der AfD“, und vom „Import fremder Völkerschaften“ in Politiker-Reden im 21. Jahrhundert überhaupt wieder zu hören sein könnten. Und es ist erschreckend, wie die jungen Leute reagieren, sie jubeln ihm zu, und die „Höcke-Höcke-Rufe“ ebenso wie die hassvollen „Merkel muss-weg“ Schreien erinnern auf schreckliche Weise an andere Zeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich die Rede ansieht oder sie liest, ahnt, worum es hier geht. Nicht allein um den Tabubruch, nicht allein um die Provokation, sondern darum, junge Menschen zu manipulieren und zu verführen, indem man den Glanz eines großen Deutschlands heraufbeschwört. Wir wehren uns dagegen, dass junge Menschen manipuliert werden und ein großes Deutschland bejubeln, wir wollen reflektierte, mündige Staatsbürger, die kritisch und verantwortungsvoll ein starkes Deutschland bauen. Und hier muß auch unsere Bildungspolitik ansetzen, auch bei den Bildungseinrichtungen des Landkreises.

Und das, ist auch der Grund, warum wir uns im Antrag dafür aussprechen, rechtlich zu prüfen, ob Herr Höcke nach seiner Rede über „dämliche Erinnerungskultur“ wieder im Schuldienst eingesetzt werden kann. Meine Damen und Herren, wir wollen keinen neuen Radikalenerlass und keine Gesinnungsschnüffelei wie in den 60er Jahren, bei dem Postbeamte aufgrund ihres Parteibuches aus dem Dienst entlassen wurden. Und es soll auch nicht das hessische

Dienstrecht die Strafe für eine Rede in Sachsen sein, sondern wir fordern die Landesregierung nur auf geltendes Recht umzusetzen.

Der Mann ist Geschichtslehrer und ein wesentliches Ziel ist es im Geschichtsunterricht, Jugendlichen die Fähigkeit zu vermitteln, Vergangenheit einzuordnen und distanziert zu bewerten, um sich ein eigenes Urteil zu vermitteln. Das erfordert Distanz zu den Begriffen seiner Zeit und erst recht einen seriösen Abstand zu Kampfbegriffen der Zeit. Und da muss es schon erlaubt sein, ob jemand, der in einer Rede diese methodisch gebotene Distanz einfach so über Bord wirft und undifferenziert dieses große Deutschland der Vergangenheit beschwört, diesem Anspruch gerecht wird. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir. Deswegen: Höcke darf keinen Geschichtsunterricht mehr erteilen. Unsere Schüler sollen – das betone ich noch einmal – lernen, sich selber ein mündiges, fundiertes Urteil zu bilden und das können Sie nicht, wenn ein Lehrer auch nur im Ansatz so argumentiert wie Höcke hier in seiner Rede!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass wir den Antrag mit allen Stimmen des Hauses beschließen können, auch mit denen von der AfD. Es ist jetzt an der Zeit, ein Zeichen zu setzen.