Rede von Werner Waßmuth zum AfD Antrag "Demokratische Grundwerte erhalten" in der Kreistagssitzung am 12. Mai 2017

18.05.2017

Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist gut, wichtig und richtig, dass wir diesen Antrag heute beraten-

und ich hoffe sehr, auch einmütig beschließen. Aber lassen Sie mich zunächst mit einem persönlichen Wort an Sie, die Kolleg/innen aus der AfD-Fraktion, beginnen. Ich will Ihnen persönlich und im Namen meiner Fraktion  mein ausdrückliches Bedauern zum Ausdruck bringen über dass, was Sie erleben mussten. Denn es ist ja nicht nur der Schaden an sich – mit all dem damit verbundenen Aufwand und Ärger-, es ist auch der unmittelbare Angriff auf den persönlichsten Lebensbereich, der für Sie mit Sicherheit schmerzhaft und bitter ist und Sie wohl auf Lange Zeit belasten wird, auch  wenn die Schäden längst behoben sind. Und es hätte ja zum Beispiel nur jemand unter dem mit einem Stein eingeworfenen Fenster schlafen müssen, so wären sogar Personen zu Schaden gekommen. Und man kann wohl auch nachfühlen, dass Sie als unmittelbar Betroffene, aber auch Ihre politischen Mitstreiter, seit diesen Ereignissen sicher auch von der Angst geprägt sind, dass sich so etwas wiederholen könnte, vielleicht auch andere aus Ihren Reihen gewaltsam angegriffen werden könnten. Ich spreche auch aus eigener schrecklicher Erfahrung von einem für mich persönlich traumatischen Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Vor rund 30 Jahren hat mich während eines Lebensmitteleinkaufs in einem Lohraer Markt ein Spitzenfunktionär der Kreis-NPD körperlich angegriffen und massiv bedroht. Er stieß die Drohung aus, „Euch fackeln wir noch alle weg“. Ich rief wenig später von zu Hause aus die Polizei und oh Wunder, die umstehenden Zeugen hatten plötzlich nichts mehr gesehen und gehört, obwohl sie beim Tathergang wie erstarrt daneben standen. Auf die Zeugen konnte das Gericht später verzichten, weil der Täter im Polizeiwagen auf dem Weg zur Wache schon alles zugegeben hatte und weiter wütete. Das Gericht belegte ihn mit einer angemessenen Strafe.

Und genau deswegen ist es so wichtig, dass wir heute ein klares und deutliches Zeichen setzen, dass wir uns über Parteigrenzen hinweg zur Wehr setzen und deutlich machen: wir dulden nicht, dass Gewalt zum Mittel der politischen Auseinandersetzung wird. Wir dulden nicht, dass unseren Mitstreitern Angst gemacht wird. Wir zeigen - nicht erst heute - dass alle Kräfte in der Marburg-Biedenkopfer Kommunalpolitik zusammen stehen,  wenn versucht wird, die demokratischen Spielregeln zu durchbrechen und andere durch Gewalt gegen Sachen oder gar gegen Personen zu verängstigen.

Das wichtigste Instrument  in der Demokratie ist das Wort. Es macht das demokratische Ringen um die besten Argumente möglich. Je mehr um die Ideen und Lösungen gerungen wird, je mehr die Kraft des Argumentes, aber auch der Zuspitzung und Übertreibung ausgespielt wird, desto lebendiger ist unsere Demokratie. Die Freiheit des Wortes ist deswegen das Allerwichtigste, was wir verteidigen müssen. In unserer DEMOKRATIE muss jeder – und auch jede politische Partei oder Bewegung -  zu Wort kommen können, jedenfalls solange sie nicht verfassungswidrig oder verboten sind.

Deswegen ist es so wichtig, dass natürlich auch eine Partei wie die AfD die Möglichkeit haben muss, in Versammlungen zu beraten, ihre Positionen zu entwickeln und für ihre Vorstellungen, Programme bzw. auch Kandidaten zu werben – so wie sie es in Gladenbach gemacht hat. Aber genauso wichtig und richtig ist natürlich, dass umgekehrt auch die politischen Gegner dieser Partei die Möglichkeit haben, bei solchen Versammlungen  friedlich und demokratisch ihre Kritik an den Inhalten der anderen Partei zum Ausdruck bringen können bzw. andere Positionen auf Transparenten, Plakaten zum Ausdruck bringen. Ja, das ist manchmal sogar das Lebenselixier einer Demokratie.

Das ist Demokratie, lebendige und plurale Demokratie, lebhafte Auseinandersetzung. Und diese darf auch mal etwas lauter, zugespitzter sein. aber, was nie sein darf ist, dass Menschen in unserer Demokratie Angst haben müssen, wenn sie von der Freiheit des Wortes Gebrauch machen wollen. Aber genau das geschieht, wenn aus politischen Motiven Gewalt ausgeübt wird. Und, dabei darf man zur Gewalt dann nicht ausschließlich die physische Gewalt rechnen, Gewalt beginnt dann durchaus auch schon mit verbalen Gewaltakten, etwa wenn aus plausiblen, pointierten Auseinandersetzungen Beleidigungen oder gar Drohungen werden. Denn zur Freiheit des Wortes gehört auch der Respekt - der Respekt vor den politischen Mitbewerbern. Wer die Freiheit des Wortes verteidigen will, der muss sich bereits dann zur Wehr setzen, wenn in der politischen Auseinandersetzung dieser Respekt verloren geht.

Aber erst recht muss man sich zur Wehr setzen, wenn einzelne beginnen, andere durch Gewalt - oder auch nur durch deren Androhung - einzuschüchtern. Das ist ein krimineller Akt: und ein frontaler Angriff auf die Demokratie. Deswegen müssen wir Demokraten hier nun alle zusammenstehen. Unsere Landrätin, der Erste Kreisbeigeordnete und der Kreistagsvorsitzende haben gleich nach dem Anschlag das Wort ergriffen, dafür bin ich Ihnen dankbar. Wir als Kreistag machen heute ebenfalls deutlich: wir dulden KEINE Gewalt. Demokratie darf nur eine "Waffe" kennen, nämlich die des Wortes und des Argumentes. Und jeder, der versucht, andere "Waffen" und Gewalten zum politischen Mittel zu machen, der gehört nicht nur mit allen Mitteln der Strafverfolgung zur Rechenschaft gezogen, sondern der  wird von allen demokratischen Kräften in unserem Landkreis spüren und erleben: Wir setzen uns zur Wehr. Wehret den Anfängen - dieses Motto gilt; und dieses Motto wird jeder spüren, der – egal, ob von Links, von rechts, aus religiösen oder anderen Positionen unsere Demokratie angreift.