Der Abgeordnete Dr. Mirko Schulte führte aus: Gemessen an der Demut und dem Respekt vor dem Leid der Menschen in Israel, Gaza, Libanon und Iran und der unschlagbar positiven Überschrift müsse man den Antrag eigentlich sofort positiv bescheiden. Bei genauem Hinsehen sei das Diskussionsangebot aber bös vergiftet. „Wieder einmal zur Unzeit und ohne inhaltlichen Kompass irrlichtern Sie mit einer gefährlichen Relativierung des Antisemitismusbegriffs im Gewand behaupteter Wissenschaftlichkeit herum!“
Ausgerechnet in diesen Tagen, wo wir erfahren, dass antisemitische Taten auf der Welt auf dem Höhepunkt sind. Von 2023 auf 2024 seien antisemitische Vorfälle in Deutschland um 77 % gestiegen.
„Es waren 8.627. Da wollen Sie durch Kreistagsbeschluss den Menschen eine – angeblich wissenschaftsbasierte – Deutung verordnen, die schon fast die Hälfte Ihrer Genossen im Mai auf Ihrem Parteitag in Chemnitz abgelehnt hat.“
Es sei schlimm genug, dass Juden angegriffen und angefeindet würden, nur weil sie Juden sind. Sie würden seit der aktuellen Gaza-Situation für den maximal verstrickten Nahostkonflikt – wieder einmal als Sündenbock – in Haftung genommen; diesmal für israelische Sicherheitspolitik. Missverständnissen sei zu begegnen: Trotz des uneingeschränkten Bekenntnisses für den Schutz Israels sei Kritik an dessen Sicherheitspolitik angesichts der inakzeptablen humanitären Lage in Gaza zunehmend angebracht.
Anstatt aber genau hier kühlen Kopf zu bewahren und methodisch diszipliniert die Kritik am konkreten staatlichen Handeln Israels einerseits und gefährliche Quellen des Hasses auf Juden andererseits getrennt zu denken, nutze der Antrag die Gunst der Stunde, werfe alles in einen Topf und verfolge das Ziel, mit einer sperrigen Definition, grundlegende Werteko-ordinaten unseres Landes neu zu justieren – für politische Geländegewinne und auf Kosten des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Der Antragstext enthalte ein einziges Mal das Wort „Antisemitismus“ – ganz am Anfang. Eindrucksvoller könne man eine einseitige Opfer/Täter-Definition nicht herstellen. „Wo bleibt das terroristische HAMAS-Massaker vom 07.10.2023 mit über 1.200 Toten? Wo war ähnliche Solidarität von links wie jetzt gefordert?“
Die als angeblich wissenschaftliche Definition für Antisemitismus geforderte sog. „Jerusalemer Erklärung“ verspreche viel, enthalte viel Selbstverständliches und bringe dafür bizarre Ergebnisse hervor: Zum Beispiel die überprüfbar regelmäßig als Beseitigung des Staates Israel gemeinte Forderung „From the river to the sea!“ sei angeblich nicht „per se antisemitisch“, wenn man damit die Gleichberechtigung von Palästinensern meine.
Das sei nicht wissenschaftliche Definitionsarbeit, sondern Rabulistik und bösartige Legitimation von Antisemitismus im Kern. „Wer Israel auslöschen möchte, ist Antisemit.“ Das liege auf einer Ebene mit der Holocaustleugnung. Zu Recht fordere der hessische Innenminister Prof. Poseck dafür einen neuen Straftatbestand.
Demgegenüber sei die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) eine Bitte und ein Angebot von Jüdinnen und Juden an uns alle, mit Beispielen zu vermitteln, wie sie Antisemitismus erleben.
„Ihr Antrag: Die IHRA verbieten! Dafür sollen 200 selbsternannte Experten in der Jerusalemer Erklärung Juden erklären, wie es sich anzufühlen hat, Jude zu sein. Das ist Anmaßung, Aneignung, Zensur und Verunsicherung: Mit dem IHRA-Verbot nehmen Sie den Juden die Stimme zu sagen, was sie fühlen. Sie machen Angst!“
„Und: Wir leben in Deutschland. Hier wurde der Holocaust an Juden verbrochen – von Deutschen. Der unbedingte Schutz Israels ist Proprium unseres Grundgesetzes: Nie wieder Ausschwitz. Nicht einen Millimeter. Die Stimme der Juden ist deshalb auch unsere Stimme, die wir schützen.“
Das, was DIE LINKE gespreizt wissenschaftlich fordere, das funktioniere auf politischer und gesellschaftlicher Ebene jeden Tag und ganz unverstellt: Bundeskanzler Friedrich Merz habe am 04.06.2025 klar gemacht, dass keine Logik mehr darin erkennbar sei, wie die massiven militärischen Schläge dem Kampf gegen Terroristen und der Befreiung von Geiseln dienen sollten. Außenminister Wadephul habe sich gegen eine Zwangssolidarität mit Israel gewandt. Genauso scharf ist auch der Ton des Koalitionspartners SPD. Es bestehe in der Bundesregierung Einigkeit.
Dr. Schulte schloss mit der Bitte an die Fraktion DIE LINKE: „Kehren Sie – als in unserem freien Land und in Frieden lebende, demokratisch gewählte Abgeordnete – dem Schutz von Jüdinnen und Juden nicht den Rücken. Nehmen Sie den Antrag zurück: Aus Respekt vor den Betroffenen und deren Leid – auf allen Seiten.“
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